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MindWalk 23/32 – Tag 22A, Zwischenhalt

Nach den ersten drei Wochen unterwegs mit ihm und nach einem Monat im Blog zusammen mit dir, stehen die nächsten “Gedanken” an:

Im Gehen schwingt eine unglaubliche Magie. Diesen Satz wiederhole ich gerne – er repetiert sich in meinem Leben selber in unterschiedlichsten Formen.

Gerade jetzt bin ich auch wieder daran, am Gehen – mit diesem Blog. Obwohl ich auf dem Sofa in der Stube sitze und diesen Text schreibe, kümmere ich mich um das Gehen. Selbst wenn ich Schreibe, bin ich am Gehen.

Wann hat das eigentlich angefangen? Dieses Gehen, diese Lust am Gehen?

Es existieren von mir drei frühe Kinderzeichnungen: Ein Pferd, eine Art Eulenspiegel mit Schnabelschuhen und das unten gezeigte Bild: Ein Frosch, der springt. – Dieses Zeichnung beeindruckt mich. Denn wenn ich das Lachen des springenden Frosches sehe, zeigt sich mir “Freude an der Bewegung”, “Glück, sich abgestossen zu haben” und Begeisterung, “ohne Flügel in die Lüfte zu kommen”, Abheben.

Beim Gehen passiert mir das, was dieser Frosch ausdrückt: Freude, Leichtigkeit, Freiheit und die Erfahrung von Kraft. Ich interpretiere gar in diese Zeichnung hinein, dass ich von dieser Kraft, von dieser bis ins innerste hinein führenden Stärke, schon damals “wusste”.

Dieses Transzendierende, was ich im Gehen immer wieder erlebe, ahnte ich wohl schon als Kind. Natürlich hätte ich damals, als ich “noch Kind war und kein Gesicht machte beim Fotografieren” (nach Handke), diesen Umstand so nicht benennen können. Aber ich erinnere Bilder aus der Kindheit, wie ich mich im Wald aufhalte, ganz alleine. Wie ich im Wald bin. Wie ich durch den Wald gehe, hüpfe, ihn renne, in ihm aufgehe, förmlich in ihm bin, ihn bin.

Und ich sehe mich zudem, wie ich von zuhause aus über die Hügel ins nächste Tal gehe – das erste Mal zusammen mit meinem grossen Bruder, später dann mit meinen beiden jüngeren Brüdern, sie an der Hand: Wie ich losziehe, das Elternhaus den Hang hinunter gehend verlasse, ganz hinunter gehe zum Bach, über diesen hinweg, langsam die andere Talseite schaffe, dort die Bahnlinie unter- und danach die Todesstrasse überquere, im nächsten Dorf steil den Lindenberg hinangehe, dort in den Wald komme, im Schwitzen auf jene Lichtung treffe, die mich fasziniert und anzieht, weil sie mir eine Insel aus einem Märchen ist, wie ich über den Berg bis hinauf auf seinen Rücken komme, dort langsam wieder abwärts gehe, bis dann der Blick frei wird auf das Tal. Das andere Tal mit dem See. Da liegt ein See. Ja. Und ein Schloss. Mit Wasser darum herum. Und ich gehe hinab, an allem vorbei, am Ausflugsrestaurant, an der Kuhweide, den Kirschbäumen, dem Garagentor, dem Parkplatz des Landmaschinenmechanikers, dem Schloss, dem grossen Haus mit den hohen Fenstern, bis ich vor dem kleinen Haus meiner Tante stehe. Der Tante mit dem grossen Lachen. Der Tante, die ihr Leben jeden Tag lebt, als sei es ein Geschenk. Hallo Tante, hier sind wir.

Heute würde man Eltern bei der Polizei verpetzen, liessen sie Knirpse wie uns einfach so in die Welt hinaus gehen. Ich aber bin ihnen dankbar.

Synonyme für Gehen –
gesammelt von SchülerInnen der Schule Nordstrasse, Zürich

Sabine Claus nennt in ihrem Buch “Auf dem Weg”, dass die Geometrie der Natur uns anziehe. Dass das Kleine im Grossen, die Repetition, “komplexe Strukturen, die sich wiederholen” und “sich in sich selbst wiederholende Muster”, also Fraktale, uns gar beruhigen. Und wenn ich nun an diese Gänge über den Berg ins nächste Tal denke, dann kommt in diesem Gehen von damals all das schon einmal vor, was der Geher fünfzehn Jahre später in seinem Wander- und Skizzenbuch dann wieder beschreibt: Das Wagnis, aufzubrechen. Der Stolz, es selbständig so weit zu wagen. Die Freude, zu gehen. Das Glück im Unverhofften. Die Nähe zu den Elementen. Die Erhebung, es aus dem einen Tal ins nächste zu schaffen. Zu wissen, dass ein Bach allein einem nicht reicht. Und auch zu verstehen, dass es viele Tanten und Onkels gibt, aber dass man selber nur über die Hügel geht für jene mit dem grossen Lachen . Dafür immer wieder.

Diese Erfahrung, sich immer wieder auszusetzen all diesen Bewegungen, dem allem immer wieder begegnen wollen, das macht anscheinend glücklich. Der Mensch, dies behaupte ich hier einmal, liebt es also nicht nur, fraktale Strukturen zu betrachten (die Jakobsmuschel ist ein wunderbares Beispiel einer solchen Fraktale), sondern, wenn es stimmig kommt, lebt er solche auch. Und für mich scheint im “Gehen” deswegen diese grosse Kraft zu liegen: In der Wiederholung dieser gelingenden Muster. Da wächst man anscheinend – zu der oder dem, die oder der man ist.

Aus dem Netz: FotografIn wie auch Künstlerln leider unbekannt

Geh !

Ausblick

Im nächsten Beitrag gebe ich Rückmeldungen zum Blog wieder. Sie kamen während der letzten Woche bei mir an. Die Fotos zeigen Covers, Karten und Abbildungen aus Büchern, die ihm damals beim Vorbereiten der Wanderung halfen.