MindWalk 23/32 – Abschluss I
Es folgen zwei leere Seiten in seinem Tagebuch, danach zwei mit verschiedenen Adressen von Menschen, denen er unterwegs begegnete und dann, dann schliesst sich der Deckel. Somit ist auch unsere Reise fertig – voilà. – Unser Geher schickt das Buch per Post nach Hause. Das wissen wir, weil er sein nächstes, ein in Goldlettern als “Livre d’Or” benanntes und in einem dunklen Rot gehaltenes, mit folgendem Eintrag eröffnet…
Freitag 27. 5. 88
Ich eröffne dieses Buch, das mich Richtung Santiago begleiten wird, hier in «Le Puy» mit dem Übertragen der Adressen.
Samstag (dazu eine Skizze der “Chapelle St. Roch”)
Bin wieder auf der Sohle – Richtung «Conques», dem GR 65 folgend. Am Morgen wälzte ich mich gemütlich aus dem Bett, frühstückte mit Henri und verabschiedete mich von Yaro. Das Sammeln und Packen meiner Sachen dauerte seine Zeit und der Rucksack ist nach meinen Einkäufen – bin eben nicht sparsam mit dem Geld umgegangen – wieder etwas schwerer. Nach einer Fototour und dem Besuch einer Ausstellung über “Mariendarstellungen im Laufe der Jahrhunderte”, verpasste ich 12 Uhr und das Senden des Pakets war unmöglich. Ich beauftragte eine Wirtin damit – ist schon etwas gewagt, denn das Buch und auch die Filme sind mir Gold wert. – Dann, gegen 13 Uhr, ging ich los…
Der Aufwand, ihn auch in diesem zweiten Buch zu begleiten, übersteigt leider meine vorhandenen Möglichkeiten. Zudem, bis wir mit ihm in Finisterre ankämen, warteten noch zwei weitere auf uns… Wo also würden wir halten, wenn nicht hier?
Damit das Ende aber nicht ganz so abrupt daher kommt – aber nicht weniger tragisch -, zeigt sich auf einer der letzen Seiten noch ein Foto, daneben in seiner Handschrift dieser Text :
Ein Platz für Luki*, der mir während der letzten Wochen manchmal nahe war: Im Schnee nach Einsiedeln, im französischen Dschungel, auf dem “Mont jeunet”** beim Sonnenaufgang, bei der Erzählung Yaro’s über den Kannibalismus in seiner Heimat …
Bei einem Soloflug in den Bergen stürzte Luki mit dem Gleitschirm ab – wenige Wochen nach dieser gemeinsamen Skitourenwoche, während der unser Geher dieses Bild knipste. Luki steht in der Mitte, trägt die hellblaue Jacke.
Sein Bild, wie er da lag im Kühler, die Bandage um die braune Stirn, das zerschundene Gesicht mit dem Lächeln – das ist das, was bleibt am Ende seines Weges auf der Suche nach seiner Freiheit!
Die Nachricht von seinem Tod war für den Gehenden ein Schock. Er wusste sich nicht besser zu helfen, als in derselben Nacht noch die Schuhe zu schnüren und von Wohlen aus im Dunkeln nach Zug zu gehen: Abschied nehmen, ihn noch einmal sehen – ein letzter Blick.
Folglich nahm unser Geher dieses Foto damals mit auf den Weg. Möglicherweise klebte er es vor dem Start schon ein. Oder aber, er entschied sich erst in Le Puy es einzukleben, um neben all dem anderem, was er hinter sich liess, jetzt auch dies zurück zu lassen.
Morgen gibt es einen weitern und letzten Happen “Stimmen von aussen”.
*Luki ist ein Freund aus der Studienzeit
**der Ginsterberg