MindWalk 23/32 – Tag 24, Col du Fayet
Ohne weitere Worte: Einfach weitergehen.
Samstag
In Serrieres bei sonnigem und luftigem Wetter über die Côte du Rhône durch Frucht- und Obstplantagen angekommen. Habe zur Genüge Kirschen und einige Erdbeeren gepickt!
Le Propiértaire du Château war nicht anwesend. François aber gab mir bei Wein und einer Gauloise die Absolution, hier zu nächtigen. Er schenkte mir zudem ein Stöcklein Basilikum, das jetzt wie ein Erker hinten an meinen Rucksack gebändelt ist und an einem Stecklein Halt findet. Er meinte, wenn ich Durst fühlte, bräuchte ich davon nur zu kauen und bald sei ich wieder top.
Er ist rank und hoch, geht in zerschlissenen Kleidern und kennt das freie Leben. Manchmal habe er auf seinen Trips «herbes» gefressen, weil nichts anderes zu bekommen war. Es sei nicht wichtig, wie das Zeug im Mund schmecke, sondern, ob es nähre. Immer wieder gehe er auf «die Piste». Barfuss oder so wie gestern in zerschlissenen Schuhen, die Gitarre und den Schlafsack bei sich – das sei Leben. Sein Vater sei Colonel gewesen und habe Krieg gemacht: «Bumbum». Er aber habe geliebt und «fait l’amour» auf dem Boden.
Den Wein, den restlichen halben Liter, gab er mir und ich ass dann alleine auf einer von rotem Mohn bewachsenen Steinmauer mit Blick auf die Rhôneebene, wo zum Teile das Wasser der vergangenen Gewittertage noch wie Teiche liegt, mein Nachtessen. Wieder fühlte ich jene Zufriedenheit, diese wunschlosglückliche Freiheit. In solchen Momenten würde ich sie gerne einfrieren, oder in einen Sack sperren, um mich davon während der «mageren Jahren» nähren zu können. Denn – schwup – und sie ist weg und mich befällt eine unbegründete Schwere.
In der Nacht musste ich aufstehen und mit meinem Morgenessen die Katzen füttern. Sie schrien im Quartett so erbärmlich, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Ich grub ein Lock, bettete einen Plastiksack hinein und überschüttete Brotbrocken mit Milch. Danach gabs Ruhe und für mich am Morgen nur noch 4 dl Milch – dafür aber Kirschen zum Dessert.
Die Gegend steigt jetzt an und ich sehe den Weg noch nicht klar. Die «schönen» Täler sind mit Strassen filetiert. Ich denke, einen guten Teil auf dem GR 7 gehen zu können. Das heisst aber Auf-ab-auf …! Jetzt geht’s zum Einkauf.
Ich bin gegangen bei lachendem Herz, habe innerlich gejubelt und den sonnigen Wind genossen. Die Gegend wirkt ähnlich der Schweiz, ein Mittelding CH-Korsika.
Gut Glück gehabt. Hier unter dem Col de Taylet traf ich Leute, die einen Hof gekauft haben und jetzt über’s Wochenende hier weilen und bauen. Sie flüchten Lyon und geniessen das Leben näher den Wurzeln. Ich fragte nach einem Schlafplatz. Erst wies der Chef mir einige Strohballen zu – schon sehr vornehm – aber jetzt bin ich in ihrer «Wohnung» zum Nachtessen – oh, wie fürstlich → Würstchen, Suppe, Crêpes, Käse und Kaffee ← und jetzt zum Schlafen auf der Couch. Das ist ein gutes Ausruhen.
Versuchte, zu zeichnen. Aber es blieb bei einem Bagatellversuch. Ich schaffte es nicht, Tiefe und die verschiedenen Grün des Waldes hinzubringen. Auch das Nachzeichnen mit dem Fülli half nicht mehr viel – mein Weg ist weit und manchmal möchte ich die Pinsel hinschmeissen, so dilettantisch sind meine Aquarelle – für morgen habe ich einen rechten Happen ob, denn ich möchte bis zur Refuge des GR 7 kommen. Jedenfalls zeigt das Wetter gutes.